Es geht uns alle an!: Fachtagung Pfadfinden 2025 zum Thema Kolonialismus und Rassismus
,Vom 4.–6. April 2025 lädt die 7. Fachtagung Pfadfinden zur Diskussion über „Kolonialismus und Pfadfinden: Ursprünge, Kontinuitäten, Brüche“ im Archiv der Jugendbewegung auf Burg Ludwigstein bei Witzenhausen.
Die Attacke auf die Statue von Robert Baden-Powell in Poole (England) im Zuge der Black Lives Matter-Bewegung 2020 löste auch in den deutschen und österreichischen Pfadfinder*innenbünden die Diskussion um unser eigenes koloniales Erbe aus. Erste Fragen wurden gestellt und teilweise beantwortet:
- Was haben eigentlich die Gründer des deutschsprachigen Pfadfindens, Maximilian Bayer und Alexander Lion, im damaligen Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) als Kolonialoffiziere getrieben?[1]
- Kann man das Dschungelbuch heute noch verwenden, das Rudyard Kipling in der Absicht geschrieben hat, den (weißen) Kindern des britischen Empires Ideologien und Werte nahe zu bringen, die wir heute als klar imperialistisch und rassistisch beschreiben würden?[2]
Aber die grundsätzliche Frage treibt uns immer noch um: Pfadfinden wurde von Kolonialoffizieren und ihren weiblichen Verwandten in der Absicht gegründet, Kinder und Jugendliche auf den militärischen (die Jungs) oder zivilen (die Mädchen) Einsatz in den Kolonien der europäischen Großmächte vorzubereiten. Ist davon heute noch etwas in unserer Praxis zu finden, möglicherweise unbemerkt?
Zu dieser Frage gibt es bisher im deutschsprachigen Raum wenig wissenschaftlich fundiertes Material. Die Fachtagung Pfadfinden will dazu beitragen, dies zu ändern.
Auf der Fachtagung Pfadfinden 2025 werden Forscher*innen ihre Befunde zum Pfadfinden, Kolonialismus und Rassismus aus historischer Sicht präsentieren. In einem angeleiteten Archiv-Workshop können Interessierte auch Dokumente aus der kolonialen Gründungszeit des Pfadfindens einsehen. Praxis-Workshops regen an, die wissenschaftlichen Befunde in die konkrete Jugendarbeit vor Ort zu übertragen, z.B. im Engagement gegen Rassismus und zur Reflektion über Rassismen in der eigenen Arbeit. Forschungsbeiträge mit Pfadi-Bezug des wissenschaftlichen Nachwuchses werden im Young Scholars Panel vorgestellt.
Das Organisationsteam der Veranstaltung hat sich bewusst für einen Neuaufbruch entschieden: Die bisherigen Fachtagungen wurden von einem Wissenschaftsteam geleitet, das auch die Themen ausgewählt hat. Mit dem Ergebnis, dass die vergangenen Fachtagungsthemen für viele Aktive aus den Bünden zu akademisch wirkten, aber wegen ihrer speziellen Ausrichtung auch in der Wissenschaft selbst nur als Nischenveranstaltung wahrgenommen wurde. Nun soll es andersherum laufen: Die Fachtagung flankiert aktuelle Themen aus den Bünden mit einer fundierten wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Die Fachtagung Pfadfinden 2025 möchte damit Impulse für die praktische Pfadi-Arbeit geben und so als Brücke zwischen Forschung und aktiver Jugendarbeit wirken. Sie will mit diesem Ansatz ein Modell für künftige Veranstaltungen schaffen.
Infos zur Anmeldung finden sich in Kürze auf https://fachtagung-pfadfinden.de/
Wer mitwirken will, meldet sich bitte bei info@fachtagung-pfadfinden.de (als Mitglied das Organisationsteams) oder unter inhalte@fachtagung-pfadfinden.de (für wissenschaftliche Vorträge (z.B. Projektvorstellungen von [noch laufenden] wissenschaftlichen Abschlussarbeiten zum Thema) oder Workshops (z.B. Erfahrungsberichte aus eurer eigenen Arbeit in der Auseinandersetzung mit unserem kolonialen Erbe).
Auf dem Laufenden bleiben könnt ihr, indem ihr uns auf Instagram (@fachtagung_pfadfinden) oder Facebook (https://www.facebook.com/fachtagungpfadfinden) folgt.
Artikelautor*innen: Chrissi Hunger/Dirk Kuhlmann (Organisationsteam Fachtagung Pfadfinden)
Foto: Silas Bahr (BdP Stamm Heveller/BBB)
[1] Stephan Schrölkamp, Gründerväter der Pfadfinderbewegung. Pfadfinderlebensläufe Band 1. Dr. Alexander Lion, Maximilian Bayer, Carl Freiherr von Seckendorff. Spurbuchverlag Baunach 2004. Darauf basierend: Derselbe, Vortrag „Was blüht uns da?“ Robert Baden-Powell Koloniale Einflüsse in der englischen und deutschen Pfadfinderbewegung, Vortrag auf dem Bundesforum der Pfadfinder-Gilden Österreichs auf Schloss Zeillern bei Amstetten am 14.10.2023 und am 16.10.2023 im Pfadfindermuseum in Wien. Unveröffentliches Manuskript.
[2] Sven Kluge: „R. Kipling (1865–1936) Das Dschungelbuch und das magische Denken und Wahrnehmen in der Kindheit“. In: Wilfried Breyvogel/Helmut Bremer (Hg. ), Die Pfadfinderinnen in der deutschen Jugendkultur. Springer VS, Wiesbaden 2020, S. 185-192.
Im Mai 2024 hat sich die Bundesversammlung des VCP mit der Kritik an Kipling beschäftigt und folgenden Beschluss gefasst: „Die Spielidee basiert auf der Geschichte des Dschungelbuchs und ist pädagogisches Material für die Kinderstufe. Rudyard Kipling, der Schöpfer des Dschungelbuchs, vertrat sexistische, rassistische und imperialistische Einstellungen, die sich auch in seinen Werken widerspiegeln. Die Bundesleitung sorgt dafür, dass bis zur Bundesversammlung 2028 Optionen für eine neue Spielidee für die Kinderstufe des VCP und konkrete Handlungsempfehlungen für deren Umsetzung im Gesamtverband erarbeitet werden.“ https://www.vcp.de/pfadfinden/vcpbv/pfadfinderinnen-positionieren-sich-deutlich-gegen-rechts, abgerufen am 10.8.2024.
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