Europawahl: Ein Nachwort
,2019 ist fast vorbei und damit auch ein spannendes Wahljahr. Zwar haben zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Artikel verfasst wurde, drei wichtige innerdeutsche Wahlen noch nicht stattgefunden – diesen Herbst werden die Landtage in Sachsen, Brandenburg und Thüringen neu gewählt. Die Europawahl liegt aber hinter uns.
Von den rund 400 Millionen Wahlberechtigten in ganz Europa ging ziemlich genau die Hälfte zur Wahl, es handelt sich damit um die höchste Wahlbeteiligung in 20 Jahren. In Deutschland lag sie sogar bei knapp über 61 %, bei den letzten Wahlen im Jahr 2014 lag sie noch bei 48 %. Zum Vergleich: Die Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen 2017 bzw. 2013 lag bei 76 bzw. 71 %.[1]
Das Europaparlament wurde bereits Ende Mai von den Völkern der Europäischen Union gewählt, die politischen Diskussionen im Nachgang zogen sich aber noch eine ganze Weile länger. Erst am 16. Juli wurde Ursula von der Leyen, bis dato deutsche Verteidigungsministerin, auf Vorschlag des Europäischen Rates durch das Europaparlament zur Präsidentin der Kommission gewählt. Die durch die damit einhergehende Abwendung von dem erst 2014 eingeführten sogenannten Spitzenkandidatenprinzip, wonach die Parteien beziehungsweise Bündnisse bereits im Vorfeld der Wahl öffentlich bekannt machen, wen sie im Falle ihres Obsiegens in der Wahl als Präsident der Kommission nominieren würden, schlug hohe Wellen. Der EU wurde, mal wieder, ein nicht länger hinnehmbares Defizit an Transparenz und (damit an) Demokratie vorgeworfen. Wofür sei man denn wählen gegangen? Ob diese Kritik nun berechtigt ist, soll nicht Gegenstand dieses Artikels sein. Dennoch an dieser Stelle ein wichtiger Hinweis: Eine rechtliche Verpflichtung zur Einhaltung des Spitzenkandidatenprinzips gibt es nicht; es handelt sich um eine bisher eingehaltene informelle Praxis.
Vielmehr soll dieser Artikel Hoffnung spenden, einen gemeinsamen Weg in die Zukunft aufweisen[2].
Wir haben in den vergangenen Monaten viel Arbeit und Herzblut investiert, um die Öffentlichkeit, aber vor allem euch, die Mitglieder des BdP, über die Wahlen aufzuklären und für die europäische Idee, mit all ihren Fehlern und ihrem Verbesserungsbedarf zu begeistern.[3] Wir wollten euch zeigen, dass wir alle eine Stimme haben und jede*r, unabhängig vom Alter, der Nationalität und sonstigen Faktoren in der eigenen unmittelbaren Umgebung aktiv werden kann. Um die Veränderung herbeizuführen, die wir uns wünschen.
Natürlich ist es schwer, Rückschläge hinnehmen zu müssen. Sei es die von vielen als falsch, von manchen gar als Verrat an der Jugend empfundene Urheberrechtsreform der EU oder eben die Abkehr vom Spitzenkandidatenprinzip. Die EU gibt uns genug Anlass, an ihr zu zweifeln und das britische Ansinnen, sie zu verlassen, als weniger verrückt anzusehen, als ursprünglich gedacht.
Es ist einfach, die EU zu kritisieren. Sie ist ein Überbau, etwas Zusätzliches zu dem Nationalstaat, den wir alle kennen und der doch so toll funktioniert. Aber tut er das wirklich? Wenn wir ehrlich sind, nein. Auch innerhalb unserer Staatsgrenzen regen wir uns – berechtigt und unberechtigt – über eine endlose Liste an Staatsakten, Aussagen einzelner Politiker*innen etc. auf. Trotzdem rufen die allerwenigsten nach der Abschaffung der BRD. Darüber hinaus sollten wir auch nicht vergessen, dass der Nationalstaat wesentlich mehr Zeit hatte, um in seine aktuelle, sub-optimale aber funktionierende Form hineinzuwachsen. Im Vergleich dazu ist die EU noch ein Baby. Sie kann kaum gehen und will schon rennen.
Außerdem, wen meinen wir eigentlich, wenn wir von „der EU“ sprechen? Zwei der vier Gesetzgebungsorgane beziehungsweise regierungsähnlichen Organe, nämlich der Rat der Europäischen Union (Ministerrat) und der Europäische Rat, setzen sich unmittelbar aus Regierungsmitgliedern aller Mitgliedsstaaten zusammen. Und auch die Kommission, die sogenannte „Hüterin der Verträge“, besteht aus von den jeweiligen Regierungen nominierten Mitgliedern.
Auf wen schimpfen wir also eigentlich wirklich, wenn wir uns über „die EU“ aufregen?
Jetzt habe ich vieles geschrieben, aber vielleicht noch immer nicht gesagt, was ich eigentlich sagen möchte:
Keine Entwicklung verläuft ganz glatt und regelmäßig – sei es die Entwicklung der EU, unseres Stadtviertels oder auch unserer Stämme und Sippen. Dennoch: Glaubt an uns. An uns als Gemeinschaft. Und habt Geduld.
Wir werden viele Fehler machen, für die oftmals andere verantwortlich sein werden, ohne dass wir etwas daran rütteln können. Trotzdem können wir alle unseren Teil dazu beitragen, dass sich die Welt in die Richtung entwickelt, die wir uns für sie wünschen.
Um es mit dem Pathos der neunten Pfadfinderregel zu sagen: Lasst uns dem Frieden dienen und uns für die Gemeinschaft einsetzen, in der wir leben.
Lasst uns diesen Weg gemeinsam gehen.
[1] Eine Aufschlüsselung der Wahlbeteiligung nach Altersgruppen war leider nicht auffindbar. Bei den Europawahlen 2014 lag die Wahlbeteiligung von 18-24-Jähirgen in Deutschland bei 29 % und von 25-39-Jährigen bei 38 %. Die Wahlbeteiligung von über 55-Jähirgen lag hingegen bei 59 %.
[2] Vielleicht sogar den Weltfrieden bringen?
[3] Die Materialien, die wir in diesem Rahmen erarbeitet haben, findet ihr übrigens auf meinbdp.de.
Julia Obradovic, Stamm Robin Hood, LV Bayern
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