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NEUE BRIEFE

Grenzverletzendes Verhalten

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Der AK Intakt hat sich seit Jahren ein sehr tief verwurzelt und viel genutztes Netzwerk von Ansprechpersonen aufgebaut. Viele Pfadfinder*innen wenden sich mit Fragen und Erlebnissen an eben diese Ansprechpersonen und werden zu Themen wie Grenzen, sexualisierter Gewalt und und und beraten. 

Und genau das ist auch manchmal eine große Herausforderung. Denn nicht nur zu Themen aus dem Feld der sexualisierten Gewalt werden die Ansprechpersonen kontaktiert. Auch bei akuten Krisen, psychischen Problemen, Mobbing-Vorfällen oder persönlich schwierigen Situationen werden Ansprechpersonen zu Rate gezogen. Das ist natürlich richtig super und zeigt, wie weit verbreitet unser Netz der Ansprechbarkeit mittlerweile gewoben ist. Es zeigt uns aber auch auf, dass wir die anderen Bereiche oft außen vor lassen. 

Im Themenfeld Präventionen und Intervention sexualisierter Gewalt sind wir routiniert, gut ausgebildet und haben feste Leitfäden. Allerdings fehlt genau das in anderen Bereichen des psychischen Wohlbefindens. So gab es beispielsweise auf dem letzten BuLa mehrere Situationen, in denen ich als Intakt-Ansprechpersonen mit schwierigen Themen konfrontiert wurde, die mehr mit psychischer Gesundheit zu tun hatten und doch sehr dringenden Handlungsbedarf erforderten. Für diese Krise gab es aber auf dem gesamten Lagerplatz kaum Ansprechpersonen und kaum Menschen, an die ich mich wenden konnte, um mein Vorgehen abzusprechen.

Im Nachhinein weiß ich, dass ich im Umgang mit dieser psychischen Krise auch viele Dinge falsch gemacht habe, denn hier gelten teilweise andere Abläufe und Notfallpläne als bei Fällen von sexualisierter Gewalt. Und ich hätte mir sehr gewünscht, hier irgendwas gehabt zu haben, an dem ich mich hätte orientieren können oder an den ich mich hätte wenden können. 

Da diese Themen eben auch bei uns im BdP relevant sind und an uns Ansprechpersonen oder Gruppenleitungen getragen werden, ist es einfach essentiell, dass der BdP sich auch mit diesem Thema mehr auseinandersetzt und überlegt, wie wir mit akuten Vorfällen auf Lagern oder Fahrten oder auch im normalen Stammesalltag umgehen können, um die Menschen abzuholen, und auch die Ansprechperson zu entlasten.

Denn die Kompetenz ist da, so zeigt es sich bei Fällen von Grenzverletzungen und ich wünsche mir, dass wir das auch auf andere Felder übertragen können.

 

Jule Fuchs

Stamm Burgund, Berlin

LV Berlin/Brandenburg

 

Foto: Simon Vollmeyer

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Was denkst du?

  • Steffen (LV Bayern)

    Lieber AK Intakt,
    zum Thema Grenzverletzung gab es im letzten Heft den Artikel zum Problemkreis “Zuneigung zwischen Gruppenleitungen und Minderjährigen” (junges Mädchen küsst erwachsenen Gruppenleiter). Beim Lesen hatte ich das Gefühl, irgendetwas passte hier nicht zu unserem pfadfinderischen Anspruch. Wir wollen doch die Welt ein bisschen besser hinterlassen als wir sie vorgefunden haben, d.h., wenn wir etwas zum Besseren gestalten wollen, müssen wir doch unsere Leute mitnehmen und überzeugen und nicht mit Ausschlüssen vor den Kopf stoßen (und auch noch andere durch Solidarität zusätzlich verlieren). Sollten nicht solche Vorkommnisse gerade als Aufhänger dienen, um Überzeugungsarbeit zu leisten, dass Gruppenleitungen in einer besonderen Verantwortung stehen und daher Dinge, die im “normalen” Freundeskreis unkritisch wären, im Verantwortungsbereich für Jüngere eine Selbstbeschränkung erfordern? Hier gleich jemanden als “Täter” abzustempeln, schießt übers Ziel hinaus. Mir fiel dazu ein knapp Fünfzehnjähriger in meinem Stamm ein, der sich in den Kopf gesetzt hatte, die sehr viel ältere, volljährige Gruppenleiterin zur Freundin zu bekommen. Das hat er auch erfolgreich innerhalb eines Jahrs in die Tat umgesetzt – und beide waren für ziemlich lange Zeit ein Paar (und nicht nur mit Küsschen). Analog zur Geschichte, ist diese Gruppenleiterin damit auch eine Täterin und hätte ausgeschlossen gehört?

    Herzlich Gut Pfad
    Steffen

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