Große Meute – kein Problem!
,In den letzten Neuen Briefen berichtete Chisum vom AK Wachstum, dass es für das langfristige Überleben eines Stammes wichtig ist, zwei Meuten zu haben, oder eben auch eine große. Schon überzeugend, aber wie soll man das nun anstellen mit der großen oder zweiten Meute? Ich möchte euch davon berichten, wie wir in unserem Stamm Oberon im Siebengebirge (Städte Königswinter und Bad Honnef) im vergangenen Jahr mal eben 30 neue Wölflinge gewonnen haben. Es könnten wohl noch mehr sein, aber irgendwann wuchs es uns über den Kopf – immerhin war ja auch Corona mit entsprechenden Bestimmungen zu maximalen Gruppengrößen!
Aber alles der Reihe nach: Unsere Meute „Kleiner Löwe“ hatte sich auf etwa acht Wölflinge eingependelt. Sie verstanden sich gut, aber es war klar: Wenn diese Gruppe im nächsten Herbst zur Sippe wird, dann ist die Meute leer. Wir hatten also Handlungsbedarf.
Glücklicherweise standen schon zwei frühere Meutenführerinnen in den Startlöchern, die ein neues Konzept im Kopf hatten: Sie wollten diese Endzeitstimmung sowie eine anstehende Sanierung und damit monatelange Schließung des Stammesheims nutzen, um die Meute neu zu starten und in die Natur zu verlegen. Eine der Meutenführerinnen ist Erzieherin und Waldpädagogin und wollte die im Waldkindergarten gelernten Dinge gern in der Meute ausprobieren. Die andere, lange erwachsen, hatte schon zehn Jahre Meutenführung mit den eigenen Kindern gemacht und hatte nun wieder Zeit und Lust neben dem Beruf, das Projekt Meute nochmal anzugehen. Der ganze Stamm nahm sich der Aufgabe an. So fanden sich neben den Hauptverantwortlichen zahlreiche Helfer*innen im Pfadfinder*innen- und R/R-Alter. Denn allen war klar: Wenn wir das mit der Meute nicht in den Griff kriegen, ist der Stamm in kürzester Zeit am Ende!
Noch vor Corona wurden die Weichen gestellt: Plakate gedruckt und verteilt, Presseartikel geschrieben, Bekannte angesprochen, die Homepage auf Vordermann gebracht, ein Elternabend durchgeführt (Elternabendpräsentation auf unserer Homepage www.stammoberon.de unter Wölflinge). An diesem waren gar nicht so viele Eltern zugegen, aber die hatten es in sich: Oft selbst in der Pfadfinder*innenszene groß geworden, in pädagogischen Funktionen oder auf der Suche nach naturnahen Angeboten für ihre Kinder. Die Werbekampagne hatte ganz bewusst die Ziele der Pfadfinderei und den Wald als Schauplatz in den Mittelpunkt gestellt. Mit „Ich habe mich stark & stolz gefühlt!“ wurde ein wesentlicher Aspekt aufgegriffen: das gute Gefühl in der Gemeinschaft in der Natur.
Der Kick-off der neuen Meute fiel dann wegen Corona-Lockdown erstmal aus, aber als es Anfang Juni tatsächlich losging, schlug das neue Angebot ein wie eine Bombe. Viele andere Freizeitangebote fanden noch nicht statt und draußen stand wegen des geringeren Ansteckungsrisikos plötzlich hoch im Kurs, auch wenn wir den Treffpunkt fünf Kilometer in einen anderen Ortsteil verlegten, um nah am Wald zu sein. Noch nie hatten wir so dankbare Wölflinge, die froh waren, dass mal wieder etwas passierte. Und wir hatten auch einiges zu bieten. Der Wald im Naturpark Siebengebirge ist vielfältig, so dass uns auch bei vier parallelen Bezugsgruppen die Aktionsflächen nicht ausgingen. Die Sommerferien machten wir einfach durch, es fuhr ja doch kaum jemand weg, und eine Woche Zeltlager war auch drin: mit insgesamt 40 Personen auf einem Waldsportplatz im Stadtgebiet statt weit weg, unterteilt in zwei Bezugsgruppen à 15 Kinder und Meufüs. Grandios und die größte Aktion unseres Stammes im ganzen Jahr.
Die Eltern der Wölflinge waren ebenso dankbar und unterstützten uns wo nötig, beim Materialtransport oder auch mal bei der Aufsicht, wenn es bei der stammeseigenen Meutenführung mal knapp wurde. Wir waren wegen des sich abzeichnenden Semesteranfangs der Unis auch schon drauf und dran, zwei Eltern in die Meutenführung mit einzubeziehen, da etliche der Studierenden in ihre Studienorte auszuwandern drohten. Dann kam jedoch der neue Lockdown Ende Oktober dazwischen, der uns leider auch davon abhielt, noch eine viertägige Herbstaktion in den Ferien zu machen. Seitdem halten wir die Wölflinge mit Meuten-Daheim-Aktionen bei Laune, die per WhatsApp an die Eltern verschickt werden.
Was kann man daraus lernen?
Wer jetzt gut plant und bei Öffnung mit Draußenaktionen am Start ist, hat die Nase vorn und kann auf einen Schlag seine Meute füllen oder eine zweite starten. Somit erreicht man aus dem Stand eine kritische Menge, die auch für die Wölflinge spannend ist. Es ist offensichtlich: Hier sind viele potentielle Freund*innen und spannende Aktionen wie Postenläufe oder Geländespiele mit vielen Akteur*innen.
So kann man erreichen, dass viele kommen. Allerdings stellt sich als nächstes die Frage, wie man sie dazu kriegt, auch zu bleiben? Denn nur über die lange Frist wird die Meute stabil, damit jedes Jahr am besten zwei Sippen (eine Mädchen und eine Jungensippe) in die Pfadfinderstufe übergehen. Da hilft nur gutes Programm, einfühlsame Betreuung der Kinder wie der Eltern, viele spannende Aktionen wie Übernachtungen, Zeltlager, auch Bildungsprogramm, wie Besuche im Museum oder Theater, wo es in ein Langzeitprogramm passt. Ein Pfingstlager im Freilichtmuseum oder im lokalen Freibad? Alles schon passiert im Stamm Oberon. Landeswölflingsaktionen des Landesrudels werden gerne mitgenommen, Ideen der Wölflinge aufgegriffen und immer darauf geachtet, sie ihrem Alter und ihren Möglichkeiten entsprechen zu fördern und zu fordern.
Dazu gehört auch mit den Eltern im Kontakt zu stehen und die Besonderheiten der einzelnen Familien zu kennen. Warum nicht beim Elternabend auch mal die Eltern langjähriger Stammesmitglieder dazu bitten und sie erzählen lassen, was es bedeutet, wenn die Kinder im Stamm groß werden? Dieses auf Augenhöhe miteinander Sprechen ist sehr wichtig.
Und natürlich muss man sich um seine Meutenführung kümmern. Spaß im Team, Wertschätzung des Einsatzes unabhängig von Alter oder Zeitumfang, eigene Ausbildung und natürlich Nutzung der Ausbildungskurse im LV. Wenn es gelingt, den Meutenführungen das zu geben, was diese brauchen, dann ist auch das Meutenführungsteam ein Selbstläufer und rekrutiert sich seine Helfer*innen selbst: denn dort passieren coole Aktionen und man kann sich mit seinen Ideen einbringen.
Und was ist mit dem Waldthema?
Schließlich hat nicht jeder Stamm eine hauseigene Waldpädagogin, die vom Wölflingsalter an selbst im Stamm groß geworden ist? Stimmt! Je nach personellen und geographischen Gegebenheiten fängt man vielleicht mit dem „Draußen“ an und trifft sich bei Corona konsequent irgendwo im Freien, auch völlig unabhängig vom Stammesheim, wo die natürliche Umgebung zahlreiche spannende Aktionsflächen bietet. Schon ein kleines, waldähnliches Gebiet oder eine Flussaue, ein Bach oder ein größerer Stadtpark bieten zahlreiche interessante Plätze. Dann ein paar Seile, Sägen, eine Hängematte, Lupen und Messer mitgebracht, und außer einem Anfangsspiel und ein paar Liedern ist der Rest der Meutenstunde fast ein Selbstläufer. Sobald die Kinder verstanden haben, dass sie hier ihrer eigenen Fantasie entsprechend aktiv werden können, reichen hier und da ein paar kreative Eingaben. Wie leben wohl die Wichtel im Wald? Lasst uns ein Wichteldorf bauen! Oder es wird eine Seilschaukel an einem Baum angebracht oder eine Seilbrücke über einen Bach gebaut. Auch Künstlerisches aus Naturmaterialien bietet sich an oder ein Theaterstück zu den Feen und Geistern im Wald. Und Geländespiele oder Postenläufe, GPS Schnitzeljagd, Spielgeschichten sowie Feuer und Zelt sind sowieso unsere Expertise. Wenn man einmal die vielen Möglichkeiten sowie die Kreativität und Dankbarkeit der Kinder mit eigenen Augen gesehen hat, will man gar nicht mehr zurück ins Stammesheim, außer bei extrem schlechtem Wetter oder Dunkelheit im Winter.
Helfen können neben der Ideenfindung in Büchern (Stadtbücherei) auch die Ideensammlungen, die es im Bund und sonst im Internet gibt. Fortbildungen auf LV-Ebene oder regional zur Erlebnispädagogik wären möglich oder der Kontakt zu einem Waldkindergarten in der Nähe. Vielleicht ergibt sich sogar eine Zusammenarbeit: Man nutzt das Gelände und schöpft aus der Expertise eines Waldkindergartens und hilft im Gegenzug dabei, Material anzuschaffen oder das Gelände sauber zu halten? Immerhin ist eine Waldmeute für die Familien des Waldkindergartens eine Möglichkeit, die Aktivitäten im Wald über die Kindergartenzeit hinaus zu verlängern, so dass eine Zusammenarbeit durchaus Freund*innen finden sollte. Und Nachwuchs in der Meute gäbe es dadurch quasi automatisch.
Externe Partner*innen sind also durchaus eine Möglichkeit, das Thema zu verankern, auch wenn man selbst keine Ahnung hat: Der Förster, ein Freilichtmuseum, ein Abenteuerspielplatz, eine Jugendfarm, die Grundschule, der BUND oder NABU: einfach mal schauen, was es lokal so gibt, und eventuell auch mal gezielt erwachsene Expert*innen suchen, die einem als unbedarfte Meutenführung unter die Arme greifen.
Und was, wenn der Wald zu weit weg ist, weil man mitten in der Stadt lebt? Warum sich dann nicht am Wochenende, und sei es jedes zweite, an der Bahnhaltestelle treffen und für vier bis sechs Stunden ins Grüne fahren statt immer zwei Stunden am Stammesheim? Dann gibt es wahrscheinlich auch mehr Helfer*innen, die sonst keine Zeit hätten, mitzumachen.
Also ruhig mal groß und anders denken. Es braucht zwar mehr Koordination als eine Meute von zehn Teilnehmenden, aber mit 30 bis 40 Wölflingsnamen auf der Liste rüttelt sich das Ganze in einer eigenen Dynamik zurecht, ermöglicht immer spektakuläre Aktionen und gibt sowohl den Wölflingen als auch den Meufüs das Gefühl, ein Teil von etwas Großem, Spannenden zu sein, wo es auch in den kommenden Jahren viel Spaß und Abenteuer gibt. Also nur drauf los: Nicht kleckern, klotzen, und raus in Wald und Flur!
Anke Jatzen
Stamm Oberon, Königswinter
LV Nordrhein-Westfalen
Titelbild: Paavo Blofield
Bild im Text: Leonie Kaule
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