Foto: Stephanie Pieper
NEUE BRIEFE

Meine deutsche Einheit

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Genau genommen hat es mit der FDJ angefangen, wenn man so will. Ich selbst hatte es mit dieser gar nicht so freien deutschen Jugendorganisation der DDR zu tun bekommen, weil ich seit 1982 als Vertreter des rdp-Stämme im Stadtjugendring Erlangen saß. In diesem Kreis verwandten wir viel Anstrengung und viel Engagement dafür, Jugendliche aus Erlangen mit Jugendlichen in Jena zusammenzubringen, unserer Partnerstadt auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs. Unser Partner dort hieß, weil es ja gar nicht anders denkbar war, natürlich: FDJ. Schnell lernte ich, dass unsere scheinbar „harmlosen“ Jugendbegegnungen deshalb durchaus immer etwas Politisches hatten. Das Begrüßungsgeld in Erlangen zum Beispiel, das den Jugendlichen zustand, wurde von den FDJler*innen immer erst nach umfangreichen Diskussionen angenommen. Zeitungsberichte über den Aufenthalt unserer Gäste in Erlangen mussten von uns beschwichtigend kommentiert werden. Und wenn der*die ein*e oder andere Besucher*in aus Jena sich auch dazu entschied, nicht mit der Gruppe nach Jena zurück zu reisen, war das natürlich auch ein Politikum – vor allem für die Gegenseite.

Aber als dann die Mauer fiel, gab uns die Erfahrung der Begegnungen einen Vorsprung. Sehr gut kann ich mich noch an den Tag erinnern, an dem wir im Erlanger Rathausfoyer Hunderte Menschen aus Jena begrüßen konnten. Nach der Grenzöffnung waren sie mit Sonderzügen gekommen, um ihre Partnerstadt Erlangen persönlich kennenzulernen. Wir standen mit Kaffee bereit und führten viele Gespräche. Oft ließ mich das Gehörte nachdenklich werden, besonders dann, wenn unter Tränen, auch Freudentränen, sehr persönliche Erfahrungen geschildert wurden.

Bald wurde aus Jena der Wunsch an uns herangetragen, dort über die Vielfalt unserer Jugendarbeit zu berichten. Der Stadtjugendring organisierte also Fahrten von Erlanger Jugendgruppenleiter*innen nach Jena, wo wir über die jeweiligen Gruppen und Vereine berichteten und dortige Jugendeinrichtungen besuchten. Fast jedes Wochenende fanden nun Besuche statt, die im Zeichen des Austausches standen. Auch ich hatte schließlich zwei Tage lang die Möglichkeit, in Jena Fragen über die Erlanger Jugendarbeit zu beantworten.

Auch der BdP Erlangen führte im Kinderhaus in Jena bald eine Informationsveranstaltung durch. Wir zeigten Filme und beantworteten Fragen.

Unser blaues Pfadfinderhemd und das Halstuch dazu stießen am Anfang auf viel Argwohn.

Die einen oder anderen erinnerte es schließlich an die FDJ. Ich denke aber, dass wir die Vorbehalte bald ausräumen konnten und am Ende des Tages waren mehrere junge Erwachsene entschlossen, in Jena eine Aufbaugruppe zu gründen.

Skepsis schlug mir und den anderen Erlanger*innen aber nicht nur in Jena entgegen: Auch im BdP gab es viele, die unser Engagement in Jena kritisch sahen. Ich merkte aber bald, dass diese Skepsis vor allem auf Unwissenheit fußte: Wer nie zuvor die DDR besucht oder sich mit dem Leben in der DDR wirklich beschäftigt hatte, der*die konnte den Wandel dort auch nicht verstehen. Wir aber wollten nicht warten, bis andere umdenken und unterstützten vorbehaltlos die Gründung des Stammes Columbus in Jena im Jahr 1990. Die Jugendlichen aus Jena luden wir zu Seminaren nach Bayern ein und auch der Bayerische Jugendring in München musste erkennen, dass für diese Aktivitäten Unterstützung notwendig war.

Mit Frank Kröner aus Jena organisierte der Stamm Asgard aus Erlangen zu Pfingsten ein erstes Zeltlager in unserer Partnerstadt. Kinder und Jugendliche nahmen dies gerne an, um die Pfadfinderarbeit zu erleben. Frank Kröner war es auch, der das gemeinsame Zeltlager im Sommer 1992 in Kratzeburg bei Neustrelitz anregte. Dort nahmen nicht nur Pfadfinder*innen aus Jena und Erlangen teil, sondern auch aus Frankreich und Polen.
Die Arbeit der Pfadfinder*innen in Jena zu unterstützen, war mir persönlich immer ein Anliegen. Leider hat der BdP-Stamm Columbus in Jena nach einigen Höhen und Tiefen, die ja durchaus üblich sind, seine aktive Jugendarbeit eingestellt.

Pfadfinder-Fördererkreis Nordbayern e.V. für den Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder e.V. (BdP) www.pfadfinden-foerdern.de

Harald Rosteck
Stamm Asgar, Erlangen
LV Bayern

 

Foto: Stephanie Pieper, Bundeslager 1993 in Friedeburg

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