Selbst die Weltverbände diskutieren über den Religionsbezug
,Pattis Text über Interkonfessionalität im BdP in Ausgabe #1 2015 der Neuen Briefe hat eine breite Diskussion im BdP angestoßen. Auf Vorstandsebene hat das Bund-Land-Treffen die Debatte im Herbst in Kronberg weitergeführt. Dieser Text ist eine Zusammenfassung der dort getroffenen Überlegungen.
Kirche, Religion, Glaube, Gott und Spiritualität – diese fünf Begriffe sind für die Diskussion wichtig. Um von der theoretischen Ebene zur in den Stämmen gelebten Realität zu kommen und einen Überblick zu erhalten, welche Rolle diese Begriffe in den Stämmen spielen, haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bund-Land-Treffens mehrere Positionierungsspiele durchgeführt.
Religiöse Vielfalt in den Stämmen
Als zentrales Ergebnis kam dabei heraus, dass in den meisten Stämmen kirchliche Traditionen kaum eine Rolle spielen. Es gibt aber Ausnahmen. So sind einzelnen Stämmen christliche Traditionen wie eine Andacht wichtig. Auch im Pfadfinderversprechen gibt es einen religiösen Bezug, da es häufig „im Vertrauen auf Gottes Hilfe“ geleistet wird. Durch das Positionierungsspiel wurde deutlich, dass die religiöse Vielfalt in den Stämmen unterschiedlich groß ist. Viele Stämme nehmen an der christlichen Aktion Friedenslicht teil.
Losgelöst von der Religion ist das Thema Spiritualität – also die Suche nach dem Platz in der Welt – in den meisten Stämmen sehr wichtig. Auf unseren Kursen fördern wir den Austausch über Spiritualität aktiv, geben aber keine Religion vor. Wir sensibilisieren vor allem und unterstützen dabei, eine spirituelle Identität zu finden, beispielsweise durch Selbstreflexion. Weitere Konsens des Austauschs: Was alle Stämme leben und immer wieder endlose Diskussionen anfacht, sind Rituale und Traditionen.
Stämme nehmen Rücksicht
In einer weiteren Runde ging es unter anderem darum, ob der religiöse Hintergrund der Mitglieder eine Rolle im Stammesleben spielt. Ja, wenn es zum Beispiel um die Ernährung geht. Essen Kinder aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch, wird der Speiseplan geändert. Aber BdP-Mitglieder nehmen auch unabhängig vom religiösen Hintergrund aufeinander Rücksicht. Auf Kinder und Jugendliche mit Ernährungsbesonderheiten wird in der Regel immer geachtet, seien sie nun Veganerinnen, vertragen keine Laktose oder haben eine Nussallergie.
Eine sich anschließende Frage im Plenum war, wie die Zielgruppe des BdP definiert ist. Einhellige Antwort: Prinzipiell alle jungen Menschen im Alter von sieben bis 25 Jahren, die sich mit unseren Werten identifizieren können und Bock auf Pfadfinden haben. Dabei ist die Religion egal; wir fragen bei der Aufnahme nicht danach. Der BdP spricht in seiner Arbeit nicht gezielt Christen oder Atheisten an.
Muslime haben eigenen Verband gegründet
Fakt ist aber auch, dass die meisten unserer Mitglieder einen christlichen Hintergrund haben. Auch Agnostiker und Atheisten wurden in einem christlichen Kulturkreis sozialisiert und erzogen. Wir vermitteln christliche Werte, stellen aber keinen religiösen Kontext her. Auch stehen wir keiner Kirche nahe – deswegen trifft der Begriff interkonfessionell in der Bedeutung als zwischen den christlichen Konfessionen stehend eher auf uns zu als andere Begriffe.
Denn der BdP ist derzeit nicht interreligiös oder laizistisch. Es gibt vereinzelt Mitglieder anderer Religionen bei uns. Nicht alle Kinder und Jugendliche aus unserer Zielgruppe, die Bock auf Pfadfinden haben, werden Mitglied bei uns. Das zeigt sich auch dadurch, dass es inzwischen einen muslimischen Pfadfinderbund gibt.
Streit um ein einziges Wort
Soweit die Realität im Bund. Um den Begriff „Interkonfessionalität“ entbrannte dennoch ein Streit. Eine Meinung dazu: In unserer Satzung sollten wir ruhig Wortklauberei betreiben und definieren, was der Begriff für uns bedeutet, oder ihn rausschmeißen. Die Definition der Konrad-Adenauer-Stiftung zog dagegen viel Kritik auf sich.
Viele Fragen wurden in der Diskussion aufgeworfen und blieben offen. Kann man Interkonfessionalität als BdP-Begriff definieren? Oder sollten wir uns einen Begriff suchen, der besser passt? Was ist die Alternative zum Wort interkonfessionell? Wie beschreiben wir sonst, woher wir kommen? Ist Interkonfessionalität für Eltern überhaupt ein Entscheidungskriterium, ihre Kinder zu uns oder nicht zu uns zu schicken?
Auf Weltebene bewegt sich viel
Eine interessante Anmerkung dazu kommt aus den Ringeverbänden. Die Ringepartner kritisieren, dass wir keine religiöse Arbeit machen, uns aber mit dem Begriff der Interkonfessionalität schmücken.
Auch in den Weltverbänden wird das Thema Religion und Gottbezug diskutiert. Im Selbstverständnis von WAGGGS und WOSM spielt es eigentlich eine große Rolle. Bei WOSM mehr, dort ist „duty to god“ („Pflicht gegenüber Gott“) ein Grundpfeiler. Genau dieser Grundpfeiler ist gerade stark in der Diskussion, so haben die Engländer und Schweden den Bezug zu Gott im Versprechen komplett raus genommen. In Frankreich gibt es fünf Verbände, darunter einen interreligiösen und einen laizistischen Verband.
So geht es weiter
Und wie gehen wir als BdP mit dem Thema zukünftig um? Es wird weiter diskutiert, so viel ist klar. Christine Pollithy (Chrissy) ruft deswegen interessierte Mitglieder auf, die sich mit dem Thema beschäftigen und möglicherweise einen Vorschlag zur Änderung der Satzung erarbeiten wollen, sich bei ihr zu melden. Chrissy ist über die E-Mail-Adresse christine.pollithy@pfadfinden.de zu erreichen.
Zur Erklärung: Beim Bund-Land-Treffen kommen die Landesvorstände und der Bundesvorstand zweimal jährlich für ein gemeinsames Wochenende zusammen. Bei dem Treffen geht es um den Austausch der LVs und inhaltliche Themen, die den gesamten Bund betreffen. Parallel treffen sich in der Regel auch die Bundesstufenarbeitskreise, das Bundesausbildungsteam und eventuell weitere Arbeitsgruppen.
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