Selfcare kann mehr als bubble-baths
,„Brennen ohne Auszubrennen“ ist eine Artikelreihe für alle, die Pfadfinden lieben, aber sich manchmal fragen, ob sie eigentlich auch Freizeit verdient haben.
Die Idee ist simpel: Nur wenn wir uns um uns selbst sorgen, können wir für andere, für die Gemeinschaft sorgen. Bei den Pfadis gibt es so viele Situationen, in denen wir uns um andere und umeinander kümmern, füreinander da sind. Das kann Teil eines Amts sein, aber gerade auch darüber hinaus gibt es tausend Momente, in denen wir uns schon um andere gekümmert haben und andere um uns. Jedes Mal, wenn wir einander zuhören und ein offenes Ohr für Probleme haben, wenn wir zusammen kleine oder größere Schwierigkeiten zu überwinden versuchen – sei es sponton eine Mahlzeit auf die Beine zu stellen, weil das ursprüngliche Essen versalzen war, oder beim Zeltaufbauen mit anzupacken.
Aber wo findet selfcare beziehungsweise Selbstfürsorge bei uns Pfadis einen Raum?
Gerade auf Aktionen passiert es schnell mal, dass es recht trubelig wird und an jeder Ecke etwas wartet, das noch erledigt werden muss. Zumindest mir passiert es dann leicht, dass ich vergesse, auch mal innezuhalten und einen Moment in mich hineinzuhorchen, was ich gerade brauche. Und wenn ich dann doch mal feststelle, dass ich gerade wirklich eine Pause gebrauchen kann, schwirrt für mich dann immer die Frage im Hinterkopf, wer dann auffangen kann, dass ich ausfalle?
Selbstfürsorge fängt also vielleicht viel früher an: nämlich in Überlegungen, wie wir langfristig Auffangnetze etablieren können, sodass es auch okay wird, wenn einzelne sich eine Auszeit nehmen. Und das dann trotzdem nicht zu mehr (Über-)Belastung von anderen führt. Dazu gehört auch, dass wir gemeinsam darüber reden, bei was wir auch mal Abstriche machen können und sollten. Gerade als Jugendbewegung, bei der ständig neue junge Menschen Aufgaben übernehmen, muss ja vielleicht nicht alles perfekt werden. Und auch wenn einzelne nicht zu unersetzlich werden tut uns das als Gemeinschaft sehr gut.
Es gibt Dinge, die nie hinten runterfallen dürfen: nämlich das Bestreben Pfadfinden für alle sicherer zu machen, alle Mitglieder vor Gewalt zu schützen. Aber auch das klappt besser, wenn wir nicht von vorneherein von Aufgaben überfordert und bereits mit den alltäglichen Pfadi-Aufgaben überlastet sind. Und zugleich ist unsere eigene mentale Gesundheit für ein sicheres Pfadfinden unglaublich wichtig. Denn wenn Pfadfinden für Personen dazu führt, dass ihre mentale Gesundheit leidet, ist das schlicht kein sicheres Pfadfinden.
Blicken wir einmal zurück in die Geschichte des Konzepts selfcare: Während der Black Power-Bewegung in den 1960er und 70er Jahren in den USA entwickelte sich die Selbstfürsorge zu einem politischen Akt. In diesem Zusammenhang haben Schwarze feministische Aktivist*innen self-care als Art der community care verstanden. Audre Lorde hat hierzu geschrieben: „Caring for myself is not self-indulgence, it is self-preservation, and that is an act of political warfare.“ („Für sich selbst zu sorgen, ist keine Maßlosigkeit, sondern Selbsterhaltung, und das ist ein Akt der politischen Kriegsführung.“)
Den Wunsch, physische und psychische Gesundheit zu verbessern, haben Unternehmen seitdem für sich kapitalisiert: selfcare lässt sich als Gesichtsmaske, Creme oder Badezusatz erwerben und hat nicht mehr viel mit tatsächlicher care sondern mehr mit neoliberalen Konsum zu tun.
Doch gerade, wenn man sich für die Gesellschaft – wie wir das in der Jugendarbeit tun – einsetzt oder aktivistisch aktiv ist und dabei immer wieder mit einem unermüdlichen, manchmal aussichtlos erscheinenden Kampf für mehr Gleichberechtigung, gegen Diskriminierungen und Rassismus oder im Kampf gegen den Klimawandel konfrontiert ist, lohnt es sich, selfcare wieder fern von der kapitalistischen Vorstellung von Schaumbad und Gesichtsmaske zu praktizieren. Sondern eben indem wir unsere eigene physische und mentale Gesundheit ernst nehmen – weil unser eigenes Wohlbefinden wichtig ist und weil wir nur so auch füreinander da sein können.
Isabel Sax (Isi)
BB Politische Bildung
LV Bayern
Foto: Daniel Lienert
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