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NEUE BRIEFE

Wachstum – Wie und warum jetzt nochmal?

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Stamm Wikinger, Achim
LV Niedersachsen

Werden wir gefragt, warum wir Pfadfinden als Gruppenführungen und Erwachsene machen, erzählen wir von den einmaligen und abenteuerlichen Erlebnissen, die wir auf Fahrten, Lagern, Ausbildungskursen und Gremientreffen machen durften. Wir wollen das positive Gemeinschaftsgefühl, das wir in Singerunden am Lagerfeuer oder nach einer langen Wanderung in strömendem Regen oder am Abschluss einer gelungen Sippenstunde fühlen, immer wieder erleben. Und schließlich sagen wir, dass wir dieses Gefühl, das nur wir zu kennen scheinen, anderen Kindern und Jugendlichen ermöglichen wollen.

Was hier auf persönlicher Ebene passiert – das Feuer weiterzutragen – soll die strategische Arbeit unseres gesamten Bundes bis 2030 prägen. Die Bundesversammlung 2023 hat deswegen erstmalig beschlossen, sich langfristig dem Ziel zu widmen unseren Bund zu vergrößern. Unser Bund soll bis zum Jahr 2030 6.500 mehr Kinder- und Jugendliche umfassen. Uns ist bewusst: Das wird ein gemeinsamer Kraftakt von Bund und Ländern und Stämmen.

Dafür heißt es im ersten Schritt diejenigen Strukturen zu stärken, die wir bereits haben und bei denen mehr Kinder und Jugendliche vor Ort sein werden: die Stämme. Stabile und gesunde Stämme haben wir als Fokusthema für die ersten drei Jahre unseres strategischen Wachstums bestimmt. Wir wollen erreichen, dass möglichst alle Stämme eine ausreichende Größe von 65 aktiven Mitgliedern mit einer ausgewogenen Altersstruktur haben. Unsere eigenen Erfahrungen zeigen, dass dann ein Stamm in der Lage ist, Leitungsfunktionen aus seinen eigenen Mitgliedern, sozusagen im „organischen Wachstum“, verlässlich und langfristig selbst zu besetzen. Wissenschaftliche Untersuchungen der niederländischen Pfadfinder*innen zur Entwicklung von Stämmen stützen diese Auffassung. Gerade einmal ein Drittel unserer Stämme hat in diesem Sinne eine ausreichende Größe und ausgewogene Altersstruktur.

Mit wachsenden Sippen, Meuten, Runden, Stämmen, Landesverbänden umzugehen ist anstrengend und herausfordernd. Für Stämme und Macher*innen werden dabei Grenzen erreicht. Nachhaltig wachsen bedeutet für uns dann auch, dass das beste Hobby der Welt weiter Freude bereitet und nicht als Belastung wahrgenommen wird. Deshalb haben wir auch nicht beschlossen „Wachstum, jetzt, sofort um jeden Preis“.

Um auf die verschiedenen Bedürfnisse einzugehen, stehen wir in regelmäßigem, intensiven Austausch mit den Landesverbänden. Damit wir den Pfad zum Wachstumsziel gemeinsam ausloten, voneinander lernen, Anstrengungen bündeln und voneinander profitieren. Außerdem wollen wir einzelne Menschen und unsere Strukturen nicht überfordern, sondern nachhaltig gemeinsam wachsen.

Ein weiterer wichtiger Baustein unseres Wachstumsziels ist der Stammeskompass, der all unseren Stämmen ein Tool zur regelmäßigen Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung gibt. Wir wollen unsere Macher*innen damit unterstützen, im Stammesrat gut zusammenzuarbeiten. Und kompetente und motivierte Gruppenführungen sollen Spaß daran haben mit Wölflingen, Pfadfinder*innen und Ranger/Rovern abenteuerliches und abwechslungsreiches Programm zu machen. Wir wollen unseren ehrenamtlich aktiven Menschen in den Stämmen mit dem Stammeskompass auch helfen, den „Mental Load“ zu bewältigen, der mit den Sorgen einhergeht den Stamm am Leben zu halten. Auch arbeiten wir mit den Landesverbänden daran, ihre Strukturen zur Unterstützung von Stämmen, wie zum Beispiel Landesbeauftragte für Stämme und Wachstum, zu stärken, indem wir für mehr landesverbandsübergeifenden Austausch und themenspezifische sowie bedarfsorientierte Unterstützung ihrer Arbeit sorgen.

Schon jetzt ist offensichtlich, dass der Bereich der Ausbildung einen besonderen Stellenwert bei unseren Wachstumsbestrebungen haben wird. So sind wir gerade dabei zielgerichtete Unterstützung der Ausbildungskurse auf Regionsebene auszuloten. Als erste Maßnahme werden wir die Grundkurse auf Regionsebene finanziell unterstützen. Den Quereinsteiger*innenkurs gilt es langfristig als Teil unserer Ausbildung zu etablieren, um Erwachsene, die neu zu uns stoßen, und Leitungsfunktionen übernehmen mit den notwendigen Fähigkeiten auszustatten.

Ein netter Nebeneffekt dieses Fokus auf die Stärkung der Stämme ist, dass all dieser Aufwand nicht nur unseren Mitgliedern zugutekommt, sondern gleichzeitig dafür sorgt, dass noch viel mehr Menschen von unserem starken Programm und den dadurch vermittelten Werten, Fähigkeiten und Fertigkeiten profitieren können. Warum wir das wollen, können wir sehr genau sagen: Studien der österreichischen Pfadfinder*innen haben bewiesen, was wir bereits lange wussten. Die Kinder- und Jugendarbeit, die bei den Pfadfinder*innen geschieht, ist für jedes Kind individuell wertvoll und ein wichtiger Teil für ein selbstbestimmtes Leben. Unsere Mitglieder streben nach Solidarität, Inklusion, Gleichberechtigung sowie Nachhaltigkeit. Sie sind teamfähiger, selbstbewusster und haben Vertrauen in ihre eigenen guten Eigenschaften und Fähigkeiten. Dadurch fühlen sie sich nicht nur sicherer Herausforderungen zu meistern, sondern sind auch bereit und durch vielfältige Organisationserfahrungen befähigt Führungsaufgaben kompetent zu übernehmen.

Die Pfadibewegung der Schweiz konnte nachweisen, dass Zeltlager die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken, positive Emotionen erhöhen und die sogenannten Life Skills gefördert werden.

Wenn mehr Menschen diese Erfahrungen machen dürfen, ist das auch von gesellschaftlicher Relevanz, insbesondere in Krisenzeiten: Pfadfinder*innen, die ein hohes Demokratieverständnis haben und sich als wertvollen und aktiven Teil der Gesellschaft wahrnehmen, sind für eine zukunftsfähige friedliche Zivilgesellschaft besonders relevant.

Auch wenn wir uns erst ab 2026 bundesweit der gezielten und strategischen Gründung neuer Stämme widmen wollen, gibt es bereits jetzt Initiativen, die dies vorantreiben. Gestützt auf hoch motivierte Mitarbeiter*innen bauen wir Stämme in Gegenden auf, in denen (BdP-)Pfadfinden bisher noch nicht präsent ist. Nach dem Projekt Wachsen in Sachsen prägt gerade das Projekt nestbau in Bayern diese Bemühungen und stellt durch das Sammeln von Erfahrungswissen einen wertvollen Mehrwert für den gesamten Bund bereit. In Sachsen-Anhalt werden wir ab 2024 diese Erfahrungen bei einem weiteren Gründungsprojekt nutzen.

Wachstum ist ein Arbeitsschwerpunkt, der in den kommenden Jahren jede*n im BdP beschäftigen wird. Wir widmen uns damit erstmalig einem Thema generationenübergreifend. Bis 2030 werden Stammesführungen, Landesvorstände und Bundesvorstände wechseln. Ehemalige Wölflinge werden Ausbildungskurse durchlaufen und in Gruppenführungsaufgaben hineinwachsen. Der Weg wird in dieser Zeit sicher von Versuch und Irrtum geprägt sein.

Wir blicken zuversichtlich auf diese gemeinsame Kraftanstrengung mit euch und wünschen uns die Fortsetzung des bisherigen intensiven und achtsamen Austausches, überall wo wir uns begegnen. Damit Wölflinge sich in Zukunft auf verlässlicher stattfindende Gruppenstunden und mehr Freund*innen zum gemeinsamen Erleben freuen können. Damit Stammesführer*innen in ihrem Engagement für einen nachhaltig aktiven Stamm mehr Unterstützung bekommen.

Alexander Schmidt

Bundesvorsitzender

Stamm Wikinger, Achim

LV Niedersachsen

 

Kay Mlasowsky

stv. Bundesvorsitzender

Stamm Goldener Reiter, Dresden

LV Sachsen

 

Weiterführende Links:

bdp.de/studie-ppö

bdp.de/studie-schweiz

 

Foto: Daniel Lienert

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