Wann, wenn nicht jetzt?
,Nehmen wir zum Beispiel die Grundschulklasse meines Sohnes. Vor ein paar Tagen erzählt mir dessen Klassenlehrerin, dass sich mehrere Kinder aus ihrer Klasse nachts wieder einnässen. Wer Kinder hat, weiß: eigentlich machen die wenigsten Grundschüler*innen noch ins Bett. Eigentlich.
Die Corona-Pandemie ist eine Epidemie von historischem Ausmaß. Kinder und Jugendliche zählen zu ihren ganz großen Verlierer*innen. Eine ganze Generation traumatisiert oder wenigstens tief verunsichert von anderthalb Jahren Pandemie. Sehr vielen jungen Menschen geht es gerade gar nicht gut. Und niemand hat ein passenderes Angebot für ihre Bedürfnisse als wir.
Große Worte? Vielleicht. Aber für mich steht fest: Noch nie war Pfadfinden so wichtig wie jetzt. Und noch nie sind wir so sehr gebraucht worden wie in diesen Wochen und Monaten.
Denn was fehlt diesen Kindern und Jugendlichen, die seit über einem Jahr vor allem auf Bildschirme gestarrt haben, am meisten? Alles, was Pfadfinden ausmacht. Zusammen rausgehen, alte Freund*innen treffen, neue Freund*innen finden, zusammen Abenteuer erleben. Im Wald toben, spielen, basteln, lachen, singen. Einfach eine unbeschwerte und aufregende Zeit miteinander verbringen. Zusammen Pläne schmieden, zusammen auf Fahrt zugehen, zusammen ins Lager fahren. Und sich dabei als Teil einer Gemeinschaft fühlen, in der alle ernstgenommen werden, in der alle angenommen werden mit ihren Eigenheiten, Sorgen und Träumen, in der alle mitbestimmen. Und in der man verdammt nochmal nicht allein ist.
Wir haben also genau das Programm, dass nach Monaten der Unsicherheit und der Einsamkeit so viele Kinder und Jugendliche brauchen. Ich kenne für deren Bedürfnisse kein ganzheitlicheres Angebot als Pfadfinden. Denn wir sprechen den ganzen Menschen an mit allen emotionalen, körperlichen, intellektuellen, sozialen und spirituellen Bedürfnissen. Erfolgserlebnisse vermitteln, soziale Kompetenzen stärken, eine gesunden Resilienz entwickeln: Das alles geschieht in unseren Stämmen und das alles bestärkt junge Menschen in ihrer Entwicklung zu starken, selbstbewussten Persönlichkeiten. Kurz gesagt: Pfadfinden ist ganz einfach die Antwort auf viele der Probleme, die Kinder und Jugendliche gerade haben.
Das müssen wir uns bewusst machen und das muss uns selbstbewusst machen. Wir sind keine würmerfressenden Freaks. Wir haben ein tolles, brandaktuelles Programm! Wir leisten eine wirklich herausragende Jugendarbeit! Und jetzt ist der Moment, an dem wir das auch endlich allen zeigen sollten. Und deshalb müssen wir versuchen, noch viel mehr junge Menschen all die Entwicklungschancen, Erfahrungen und Freundschaften zu ermöglichen, die ihnen eben nur Pfadfinden in dieser hohen Intensität bieten kann.
Nein, die Welt können wir nicht verändern. Aber die Lebenswirklichkeit tausender Kindern und Jugendlichen verändern – das können wir schon. Und weil wir das können, müssen wir das jetzt auch tun. Wenn wir uns selbst ernst nehmen und wenn wir ernst genommen werden wollen, dann müssen wir uns dieser Herausforderung stellen.
Was heißt das konkret? Die große Herausforderung besteht schlicht und einfach darin, viel mehr jungen Menschen zu ermöglichen, das Abenteuer Pfadfinden im BdP zu erleben. Dabei hilft uns das Projekt „Endlich wieder raus“ mit seinen drei Säulen. Mit der ersten Säule, gutem Programm, führen wir unsere Stämme mit Schwung aus der Krise. Dann stabilisieren wir zweitens diese Stämme grundlegend und nachhaltig, indem wir im ganzen BdP den Stammeskompass als zweite Säule einführen. Und schließlich müssen wir viele neue Mitglieder werben und so viele Stämme wie möglich gründen. Hierbei hilft uns als dritte Säule von „Endlich wieder raus“ die größte Öffentlichkeitskampagne in der Geschichte des BdP.
Ja, das wird eine Kraftanstrengung. Aber wenn es sich jetzt nicht lohnt, dass wir uns anstrengen, wann dann? Wir wissen schließlich alle, was für einen großen Unterschied es im Leben eines jungen Menschen machen kann, das Privileg zu genießen, sich im BdP entwickeln und entfalten zu können. Wachstum war für den BdP schon immer ein gutes Ziel. Aber vor dem Hintergrund der Pandemie wird es geradezu zur Verpflichtung. Denn noch nie war Pfadfinden so relevant, so notwendig, wie heute.
Und dabei brauchen wir alle. Und alle können dazu beitragen, dass das Projekt „Endlich wieder raus“ ein umwerfender Erfolg wird. Was wirst du tun, damit wir alle zusammen unserer großen Verantwortung gerecht werden? Es gibt so viele Möglichkeiten!
Denn jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, die Meute richtig groß zu machen. Und endlich die zweite Meute im Stamm zu gründen!
Jetzt ist auch der perfekte Zeitpunkt, unsere Sippen mit dem besten Programm zu pushen und immer wieder über sich hinauswachsen zu lassen. Und durch neue Mitglieder stabiler und attraktiver für alle zu machen.
Und jetzt ist sowieso der perfekte Zeitpunkt, mit Selbstbewusstsein und frischer Motivation neue Gruppenführungen anzuwerben und für unsere großartige Idee zu begeistern.
Jetzt ist erst recht der Zeitpunkt, mit dem Stammeskompass eine kluge Strategie für die Entwicklung des Stammes zu auszutüfteln. Und die Herausforderungen dann sofort voller Tatkraft zusammen anzugehen!
Jetzt ist außerdem der perfekte Zeitpunkt, der ganzen Welt von unserer wunderbaren Jugendarbeit zu erzählen. Beteiligt euch alle an der Kampagne “Endlich wieder raus” und helft mit, dem BdP zu einem nie dagewesenen Bekanntheitsgrad zu verhelfen!
Und jetzt ist last but ganz bestimmt nicht least der perfekte Zeitpunkt, neue Stämme zu gründen. Überall, und endlich auch in allen Bundesländern. Dass das möglich ist, wenn man es nur will, zeigt eindrucksvoll das Projekt „Wachsen in Sachsen“. Und wie!
Lasst uns also diese Herausforderung annehmen! Wir dürfen diese großartige Idee Pfadfinden nicht für uns behalten. Unzählige Kinder und Jugendliche werden sofort und mit Begeisterung bei uns mitmachen, wenn wir es ihnen endlich ermöglichen. Verlassen wir unsere Blase, auch wenn wir uns gerade nach nichts mehr sehnen als nach unserem kuscheligen, gemütlichen BdP. Gehen wir raus aus unserer Komfortzone und raus auf die Straße. Holen wir die ganzen zukünftigen Pfadfinder*innen ab, wo wir sie treffen.
Wir können so unsere Stämme stabilisieren. Wir können so unsere Landesverbände stärken. Vor allem aber können wir so zusammen das Leben vieler junger Menschen, denen es gerade nicht gut geht, richtig positiv verändern.
Noch einmal: Wir waren noch nie so wichtig wie jetzt. Diese Krise ist die große Chance, allen und uns selbst zu zeigen, wozu unser BdP in der Lage ist, wenn er sich zusammen auf den Weg macht. Aber genug geredet. Less talk, more action!
Es ist Zeit, die Ärmel hochzukrempeln! Wer, wenn nicht wir?
Wachsen wir über uns hinaus! Wann, wenn nicht jetzt?
Foto: Leonie Kaule
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