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DoTTeR meets PAK im Flüchtlingslager an der griechisch-mazedonischen Grenze

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Stamm Hagen von Tronje, Bensheim
LV Hessen

Mehr oder weniger zufällig waren wir (Binta, Jakob und Wiebke, aus dem PAK Niedersachsen) getrennt von einander schon in den Semesterferien in unterschiedlichen Flüchtlingslagern entlang der Balkanroute aktiv gewesen. So waren uns die Zustände dort bekannt, und es entstand die Idee Ende November nochmal für circa zwei Wochen loszufahren, um mit anzupacken und die Flüchtenden auf ihrem Weg zu unterstützen.

Schnell wurden weitere Mitstreiter*innen gefunden und ein Spendenaufruf gestartet. Wie wir unsere Energie und das Geld einsetzen wollten, entschieden wir auch relativ bald – Kochen sollte unser Betätigungsfeld sein. Warmes Essen & Tee mag schließlich Jede*r und mit einem warmen und vollen Magen lassen sich die Kälte und die unmenschlichen Bedingungen auf der Flucht ein wenig besser ertragen.

Die notwendige Ausrüstung dafür konnten wir uns glücklicherweise unkompliziert vom Landesverband Niedersachsen ausleihen. Danke nochmal dafür!

Die Frage nach dem Wohin gestaltete sich da etwas komplizierter, da an vielen Orten und Grenzen die Arbeit der unabhängigen Freiwilligen massiv von staatlichen Behörden erschwert oder gar blockiert wird, an wenigen anderen Orten waren auch schon mobile Küchen in Aktion.

Nach telefonischem Kontakt mit Freiwilligen, die dort schon länger aktiv waren, entschieden wir uns, an die griechisch-mazedonische Grenze nach Idomeni zu fahren.

Unsere Gruppe war inzwischen auf acht Personen angewachsen, und so machten sich ein PKW voll mit Menschen und Rucksäcken und ein Bulli vollgeladen mit dem Kochzeug (Kocher, große Töpfe, Zubehör, Kisten, Kanister – eine Ausstattung für eine große Lagerküche halt), einem Pavillon und unheimlich vielen Lebensmittelspenden auf den Weg nach Idomeni.

In diesem improvisierten Camp lebten ca. 3000 Menschen unter katastrophalen Bedingungen. Die Lebensmittelversorgung war rudimentär und ausschließlich kalt, es gab acht Wasserhähne mit kaltem Wasser, ein paar Dixie-Toiletten und Duschkabinen und einige Medizincontainer. Zwar gab es einige wenige große beheizbare Zelte vom UNHCR, die meisten Menschen campierten jedoch in kleinen Plastikzelten und improvisierten Unterständen aus Plastikplanen und Decken im Matsch und auf den Gleisen. Da es kalt, windig und nass war, brannten an vielen Stellen qualmende Feuer, an denen Männer, Frauen und Kinder verschiedenster Nationalitäten kauerten, um sich zu wärmen.

Was die Situation besonders grausam machte, war der Umstand, dass die Menschen an der Grenze festsaßen, da Mazedonien die Ein- und Durchreise für Menschen nicht syrischer, afghanischer oder irakischer Nationalität untersagte. Dies war keine rein mazedonische Entscheidung, sondern der Grenzpolitik der nachfolgenden Staaten an der Balkanroute geschuldet.

Nach einigem Hin und Her mit den großen Organisationen (UNHCR & MSF) konnten wir unseren Pavillon aufbauen und die erste Runde Tee und später die erste Mahlzeit von vielen kochen und ausgeben. Natürlich konnten wir längst nicht alle Menschen versorgen, aber die Stimmung in dem Bereich des Lagers, in dem sich unsere improvisierte Küche befand, besserte sich zumindest kurzfristig merklich, das war ein gutes Gefühl.

In den folgenden Tagen kamen noch zwei andere Kochgruppen an, mit einer davon schlossen wir uns direkt zusammen, und einige Umzüge später (mal passte dem Roten Kreuz nicht wo wir standen, mal der Polizei) hatten wir einen formidablen alten Güterwaggon als Küche erobert.

 

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Die Schlange vor dem Küchenwaggon

So saßen wir grad mit beiden Küchen gemeinsam im Plenum um Pläne für den nächsten Tag zu schmieden, als eine Gruppe von fünf neuen Menschen auftauchte, in Zimmermannhosen, Troyer …

Das waren wir, der DoTTeR aus Hessen, Arbeitskreis für die Pfadfinderstufe!

Die meistens von uns hatten schon mal irgendwo bei irgendwas rund um die Geflüchteten in Deutschland geholfen, insofern war das natürlich auch bei uns immer wieder Gesprächsthema.

“Wer fährt eigentlich dahin und hilft den Menschen?” “Keine Ahnung, vermutlich Leute die Zeit haben, selbstständig was organisieren können und bestenfalls noch ein Auto haben.” So oder so ähnlich stellten wir fest, dass Pfadfinder schon eine Menge von dem mitbringen, was man braucht um humanitäre Hilfe in einem Flüchtlingscamp zu leisten. Als wir wussten, wann wir losfahren, wussten wir noch lange nicht wohin. Genau genommen haben wir das erst am Tag vor unserer Abreise anhand von Infos aus Mailverteilern, Facebook-Gruppen und Tipps von Freiwilligen entschieden. Aus einer Ahnung heraus hatten wir noch einige Werkzeuge eingepackt. Außerdem haben wir Freunde, Verwandte und die Stiftung Pfadfinden um Geld gebeten, was uns ziemlich viel zusammenbrachte.

Wir kamen also an und versuchten uns erstmal mit den anderen Freiwilligen abzusprechen, welche Hilfe von uns am meisten Sinn machte. Und dann diese dunkelblauen Wollpullover, Hordentöpfe und auf einer Kiste steht irgendwas mit LV…. da haben wir nicht lange gebraucht, um zu begreifen, wen wir vor uns hatten!

Schnell stellten wir fest, dass die Menschen in erster Linie etwas zu Essen und einen Platz zum Schlafen brauchten. In den nächsten Tagen bauten wir Notunterkünfte: Zelte aus Plastikplanen und Dachlatten, in denen jeweils bis zu 20 Menschen schlafen konnten. Außerdem kauften wir einige gasbetriebene Öfen, mit denen wir Güterwaggons beheizen konnten, die andere Freiwillige aufgebrochen hatten. So schafften wir in sieben Tagen mit knapp 3.000 Euro fast 400 Schlafplätze.

 

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Unser Zeltdorf direkt auf dem Bahnsteig

Zeit für gemeinsame Singerunden haben wir leider nicht gefunden, dafür haben wir uns gegenseitig unterstützt wo es nötig war. Mal mit Geld, mal mit Starthilfe fürs Auto, mal mit einer warmen Mahlzeit wenn die andere Gruppe keine Zeit zum Kochen fand.

Die Uni und das ‘andere’ Leben riefen und auch das Auto musste zurück, also ging es nach einer Woche in Idomeni direkt wieder heim. Es war komisch, die Menschen dort zurück zu lassen und problemlos im bequemen Auto die Reise nach Deutschland antreten zu können. Ohne übermäßige Angst vor Grenzbeamten, ohne uns in Schlepperhände geben zu müssen, ohne Einreiseverbote… all das was den Flüchtenden verwehrt wird. Da war es tröstend zu wissen, dass die anderen beiden Küchencrews noch blieben und inzwischen auch noch eine Gruppe da war, die rund um die Uhr heißen Tee kochte.

Einige Tage nach unserer Rückkehr wurde das Camp schließlich von den griechischen Behörden und Sicherheitskräften ‘unsanft’ geräumt, und diente daraufhin kurzzeitig wieder als Transitstelle für die Flüchtenden, denen die Weiterreise nach Mazedonien gewährt wurde.

Doch für uns alle sollte der Aufenthalt in Idomeni nicht der letzte Einsatz in Sachen Flüchtlingshilfe gewesen sein. Unser zweiter „Einsatz“ ging nach Calais in Nordfrankreich. Dabei waren schon ca. 20 Menschen beteiligt, größtenteils Pfadfinder aus dem BdP. Weil das ganze auf einmal ziemlich groß wurde, haben wir die „Voluntiere“ ins Leben gerufen, ein Netzwerk von Menschen, die Flüchtenden auf ihrem Weg helfen wollen. Und es funktioniert! Bis heute waren ca. 50 Voluntiere in Calais und Idomeni aktiv und konnten dabei Spenden von mehr als 20.000 Euro sinnvoll investieren. Außerdem haben wir einen Blog, auf dem die Helfenden Berichte über ihre Arbeit veröffentlichen können. Auch die Presse und das Fernsehen sind bereits auf uns aufmerksam geworden und haben ausführlich berichtet.VW-Bus

Seit einiger Zeit haben die Voluntiere sogar einen eigenen VW Transporter, der uns auf unseren Hilfseinsätzen begleitet.

Durch die Schließung der Balkanroute wurden unsere Handlungsmöglichkeiten natürlich eingeschränkt: Bis in die Türkei zu fahren stellt uns vor finanzielle, logistische und zeitliche Hürden, zu den Abschiebelagern in Griechenland wird uns der Zutritt verwehrt. Derzeit arbeiten noch einige von uns im inoffiziellen Grenzcamp bei Idomeni, wir können jedoch nicht abschätzen, wie sich die Lage verändern wird… Aber wir bleiben dran! Aktuellere Infos zur Lage in Idomeni finden sich übrigens auch in unseren Blogs (siehe unten).

 

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Die Jurte in Idomeni: Kino, Kinderbetreuung, Infozelt, Treffpunkt

Was bedeutet eigentlich…

…UNHCR?

Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, ihm untersteht das Hochkomissariat The UN Refugee Agency. Aufgabe dieses Amts ist es die Flüchtlinge und Staatenlosen zu beschützen und humanitäre Hilfe zu leisten. Zwar ist der UNHCR der UN angegliedert, muss jedoch einen Großteil des Budgets für die Arbeit selbst fundraisen und ist infolge dessen chronisch unterfinanziert. Das wird auch in den Lagern entlang der Balkan-Route deutlich.

…MSF?

MSF steht für Médecins Sans FrontièresÄrzte ohne Grenzen, eine private internationale Organisation, die seit 1971 medizinische Nothilfe in Kriegs- und Krisengebieten leistet. An einigen Orten der Balkanroute leisten sie nicht nur medizinische Hilfe, sondern nutzen ihre Erfahrungen in Kriseneinsätzen auch zum Aufbau allgemeiner Infrastruktur, vor allem im Hygienebereich und der Wasserversorgung.

Weitere Infos über unsere Arbeit findet ihr hier:

www.sokigoe.blogsport.de

www.voluntiere.de

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