Ist doch normal, oder?

Sommer 2017. Der Stamm Weiße Rose ist Gastgeber für 10 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus Südafrika, die wir zur gemeinsamen Teilnahme am Bundeslager eingeladen haben und die insgesamt 24 Tage in Deutschland sind.

Ein wichtiger Programmteil dabei ist, ganz bewusst so geplant, nach den 10 Tagen Zeltlager drei Tage in Gastfamilien zu verbringen. Festes Dach überm Kopf, Dusche und auch die Möglichkeit einer Waschmaschine. Sollte eigentlich für 10 Südafrikaner*innen bei einem Stamm mit über 100 Mitgliedern kein Problem sein. Es sind ja auch über 30 Pfadfinder*innen mit ins Bundeslager gefahren.

Und dann wird klar, dass noch eine Pfadfinderin aus Südafrika unterzubringen ist, die anderen sind irgendwie, zum Teil zu zweit, untergekommen.

Zum Glück erklären sich unsere beiden Wölflinge Sheyma und Fayz und ihre Familie sofort bereit, Hope für 3 Tage ein Zuhause zu bieten, ist doch normal, oder? Die Familie hat 3,5 Zimmer für 6 Personen und für die vier Kinder nur ein Kinderzimmer. Ist doch normal oder?

Sheyma und Fayz, seit Januar 2016 in Deutschland und seit September/Oktober 2016 im Stamm, waren in den Tagen vor dem Bundeslager schon oft in die Begegnung eingebunden, weil sie neugierig und interessiert sind, in der Nähe vom Stammesheim wohnen und am Stammesleben teilnehmen. Ist doch normal, oder?

Sheyma räumt ihr Bett für Hope und zieht in das Bett von Fayz, der wiederum dann genauso wie Mirza und Hussein im Schlafzimmer der Eltern schläft, ist doch normal, oder?

Hope ist anfangs etwas irritiert: die können kein Englisch? Und auch kein Siswati? Hope dagegen spricht weder deutsch noch kurdisch, wie auch, ist doch normal, oder?

Zu dieser besonderen Situation wollen wir gerne von beiden Seiten danach einen Bericht haben: Wie ging die Verständigung, ohne gemeinsame Sprache? Die Absprachen zu Essen und Trinken? Bett freiräumen für den Gast und die eigenen Kinder rücken im Schlafzimmer der Eltern zusammen.

Alles bitten, betteln und überreden hilft nichts. “Warum? Ist doch normal. Oder?”

Nach dem Gastfamilienaufenthalt sagt Hope, sie habe sich gefühlt wie eine Tochter – ist doch normal, oder?

Und jetzt? Jetzt haben sie mehrmals in der Woche Kontakt, senden sich Fotos und Grüße. Und am Geburtstag von Sheyma hat Hope ihr zum Geburtstag gesungen, ist doch normal, oder?

Sheyma und Fayz und ihre Familie haben uns in beeindruckender Weise gezeigt, was normal sein sollte. Danke.

Und auch jetzt, im Jahr 2020 haben sie immer noch Kontakt und es klappt schon immer besser, da Sheyma seit 3 Jahren auch Englisch in der Schule lernt. Ist doch normal, oder?

Rezan Ahmo

Klette (Stamm Weiße Rose Dortmund)